Für eine transatlantische Freundschaft und starke grüne Standards

Rebecca Harms, MdEP, ist die Spitzenkandidatin für Bündnis 90/Die Grünen.

Rebecca Harms, MdEP ist die Spitzenkandidatin für Bündnis 90/Die Grünen.


Die Krise in der Ukraine und mit Russland hat uns klar vor Augen geführt, wie wichtig es ist, dass die EU und die Vereinigten Staaten in den großen globalen Fragen gemeinsam nach Lösungen suchen. Sie sollten gemeinsam Verantwortung in der Welt übernehmen. Ein Grundpfeiler dieser engen Beziehungen ist der intensive Handel zwischen beiden Wirtschaftsräumen. Jeden Tag werden zwischen den USA und der EU Waren und Dienstleistungen im Wert von 1,8 Milliarden Dollar gehandelt, was etwa 30 Prozent des gesamten Welthandels ausmacht. Die Zölle sind bereits ausgesprochen niedrig und liegen abgesehen von wenigen Ausnahmen durchschnittlich bei drei Prozent. Das ist gut und richtig.  
Warum brauchen wir dann aber das geplante Freihandelsabkommen? Eine weitere Absenkung der Zölle kann wohl kaum das versprochene Wirtschaftswachstum und neue Jobs generieren. Deshalb geht es in der sogenannten „Handels- und Investitionspartnerschaft“ vor allem um nicht-tarifäre Handelshemmnisse. Das klingt sperrig. Dahinter verbergen sich aber entscheidende Fragen: Wie soll unser Essen angebaut und behandelt werden? Wie soll Umweltschutz aussehen? Wollen wir Gentechnik? Welche Chemikalien sollen zugelassen werden und wie wird das Geld auf unserem Bankkonto geschützt?  
Beginnen wir bei der Landwirtschaft: Wir riskieren, dass dieses Abkommen das Ende des europäischen Weges bedeutet, der auch auf bäuerliche und nachhaltige Landwirtschaft setzt. In den USA sind die bewirtschafteten Flächen eines Hofes im Durchschnitt zehn Mal so groß wie in der EU. Die Höfe funktionieren wie kleine Fabriken, rationalisiert und industrialisiert. Insbesondere die Landwirte im Süden und Osten der EU, aber auch viele Familienbetriebe in Deutschland, würden durch diese Konkurrenz stark unter Druck gesetzt. Mit unserer grünen Idee, Nachhaltigkeit und ökologische Landwirtschaft zu fördern, hat das nichts zu tun. Bio-Landwirtschaft wird dadurch kaum noch möglich sein. Tierschutz spielt keine Rolle mehr. Hier würden garantiert viele Arbeitsplätze verloren gehen – ganz entgegen den blumigen Vorhersagen der Europäischen Kommission.  
Aber nicht nur in der Landwirtschaft wird sich einiges ändern. Auch die Standards bei der Lebensmittelsicherheit sind bei uns in vielen Punkten strenger als in den USA. Bei uns ist die Behandlung von Geflügel mit Chlor verboten und auch die Zulassung von genveränderten Produkten ist an hohe Anforderungen gekoppelt. Genveränderte Lebensmittel gehören – anders als in den USA – längst nicht zum Standard und sie werden von der Mehrheit der EU-Bürgerinnen und –Bürger abgelehnt. Das Interesse der US-Konzerne das zu ändern, ist groß. Schon jetzt liegen 70 Anträge US-amerikanischer Saatgutproduzenten bei den EU-Behörden und warten auf die Zulassung hierzulande. Wir wollen unsere langerkämpften Standards nicht wegverhandeln lassen.  
Mittlerweile sehen auch immer mehr Menschen und Nichtregierungsorganisationen in den USA das geplante Abkommen kritisch. Denn in einigen Punkten sind auch die US-Amerikaner strenger als wir Europäer – zum Beispiel wenn es um die Finanzmarktaufsicht geht oder die Zulassung neuer Produkte auf dem Markt.  
Besonders bedrohlich – im Übrigen für beide Seiten – ist allerdings das, was sehr technisch klingt: die Schiedsgerichtsbarkeit. Dieses Prinzip wollen EU und USA in ihrem Freihandelsabkommen verankern. Was steckt dahinter? Ein Unternehmen, das meint, dass bestimmte politische Entscheidungen oder bestehende Gesetze gegen die vereinbarten Regeln verstoßen, kann dagegen vor einem Schiedsgericht klagen. Gibt ihm dieses Gericht Recht, müssen die Vorschrift oder das Gesetz geändert werden. Die demokratischen Entscheidungsträger haben keinerlei Mitsprache mehr. Bisher gibt es diese Schiedsgerichtsbarkeit nur in einzelnen Verträgen, die Staaten mit Unternehmen schließen, zum Beispiel bei der Vergabe von Konzessionen. Aber TTIP würde dieses undemokratische Verfahren zur Regel machen.  
Wir müssen diese Bedenken ernst nehmen. Es steht viel zu viel auf dem Spiel. Wir sind nicht gegen Freihandel, aber dieses Abkommen lehnen wir ab. Wir Grüne wollen, dass jede Generation auch in Zukunft neu über Regeln und Standards entscheiden kann. Und wir wollen, dass unsere hohen, bewährten Standards gerade im Bereich des Umwelt- und Verbraucherschutz erhalten bleiben.