Das zweite Interview zu den U.S.-Wahlen haben wir mit dem Blogger und Politikwissenschaftler Kai-Uwe Hülss zu der Rolle der Medien geführt.
JE: Die Republikaner haben vorgelegt und die Demokraten sind Dienstag Nacht nachgezogen. Gemeint sind die Fernsehdebatten in den aktuellen Vorwahlkämpfen der beiden großen Parteien der USA. Siehst du bereits jetzt unterschiedliche Handschriften bei der Präsentation und Auswahl der Themen?
KU: Zunächst muss ganz klar gesagt werden, dass bei den Demokraten politische Themen im Fokus stehen. Im Gegensatz hierzu die Republikaner, die unter der Fülle an Kandidaten leiden. Das bremst den Diskussionsfluss ungemein.
JE: Donald Trump zieht nahezu alle Aufmerksamkeit an sich. Wie bewertest du seine politische Rolle in Amerika?
KU: An den Rekord-Einschaltquoten der ersten beiden Debatten lässt sich ablesen: die Republikaner haben durch ihn definitiv an medialer Aufmerksamkeit gewonnen. Kritisch finde ich, dass sich alles auf die Person Donald Trump bezieht. Seine durchweg negativen Äußerungen stärken dieses Bild natürlich. Politische Argumente kommen bei den Kandidaten zum Teil gar nicht mehr zur Sprache. Dabei weisen die unterschiedlichen Charaktere eine Vielzahl politischer Ideen auf. Im Übrigen: ein klares Plus für Hillary Clinton, die im Wahlkampf bislang kaum von Republikanern angegriffen wurde.
JE: Wie erklärst du dir den bislang scheinbar unaufhaltsamen Erfolg eines Donald Trump?
KU: Das ist mehr als bemerkenswert. Wenn man sich aber die jüngsten Entwicklungen in Politik, Gesellschaft und Kultur in den USA anschaut, finde ich diesen Trend gar nicht mal so überraschend. Zum einen wirkt sich die Wirtschaftskrise bis in die Gegenwart aus. Es gibt immer noch Verlierer. Zweitens polarisiert Obama als Präsident auch weiterhin. Eine große Unzufriedenheit mit dem politischen Establishment in Washington kommt Trump als politischem Außenseiter natürlich sehr gelegen. Er sagt das, was er denkt und spricht damit zur Zeit eine breite Bevölkerungsschicht an.
JE: …der im übrigen auch das Fernsehbild der USA prägt.
KU: …und das nicht erst seit gestern! Hier zeigt sich ein großer Vorteil. Durch seine Reality-Show oder seine Beststeller Bücher war Trump bei nahezu jedem Amerikaner ein Begriff. Carly Fiorina oder Ben Carson mussten sich diese Popularität erst in den Debatten mühsam erarbeiten.
JE: Man sagt den amerikanischen Medien oft nach, gezielt Kandidaten im Wahlkampf zu pushen.
KU: Nochmal zu Trump. Ihn hat man zu Beginn dazu genutzt eine gewissen Einschaltquote zu erzielen. Erst als er dann politisch stärker wurde versuchte Fox News in der Debatte ihn mit kritischen Fragen in Fallen zu locken.
JE: Immer mehr junge Menschen verlegen ihren Alltag ins Internet. Du bist im Bereich Blogging unterwegs. Sind die Tage des Fernsehens als Wahlkampfmedium gezählt?
KU: Noch ist das Fernsehen das beliebteste und beste Medium um möglichst viele Wähler zu erreichen. Printmedien finden immer weniger Beachtung und werden durch die sozialen Medien abgelöst. Bei der ersten Obama-Wahl 2008 war Facebook das entscheidende Kriterium. Vier Jahre später dann der Erfolg durch Twitter und aktuell wächst das Interesse an Liveübertragungen in sozialen Netzwerken.
JE: Ob Kurze Beiträge oder tiefgründige Analysen. Blogs bieten dem Nutzer viele Möglichkeiten zu publizieren. Gibt es Unterschiede im Nutzerverhalten in Deutschland und den USA?
KU: Blogs find in Deutschland kaum Beachtung. Sie sind eine richtige Randerscheinung, quasi Neuland. Print- oder traditionelle Onlinemedien haben es schon noch viel einfacher die Leser zu erreichen. In Amerika gibt es hingegen eine starke Blogger-Szene. Sogar die Präsidentschaftskandidaten stellen Blogger ein, um ihre politischen Meinungen zu verbreiten. Oftmals werden hier neue Journalisten entdeckt, die dann später Kolumnen für die NY Times oder Washington Post schreiben.
JE: Die sozialen Netzwerke üben einen starken Druck aus, wodurch Nachrichten immer schnelllebiger werden. Zum Nachteil der Qualität?
KU: Es wird zunehmend schwieriger Analysen zu Themen zu veröffentlichen und dabei in die Tiefe zu gehen. Ich glaube, dass sich viele Nutzer gezielt einer bestimmten Art von Medien zuwenden, um die auf sie zugeschnittenen Nachrichteninhalte zu erhalten. Durch die große Breite kann man sich grade in Amerika auch Nachrichten(-sender) nach der eigenen politischen Richtung aussuchen.
Kai-Uwe Hülss ist Politikwissenschaftler und Autor des Blogs 1600 Pennsylvania Der Blog zur US-Präsidentschaftswahl 2016.