von Kai-Uwe Hülss, Mitglied
Sieben Würfe. Sieben Treffer. Eine Quote eines Basketballprofis. Doch handelt es sich an diesem Wahlabend um einen 74-jährigen Präsidentschaftskandidaten, der sich im Kreise seiner Familie beim Basketball spielen von den Geschehnissen der vergangenen Stunden und Tage ablenkt: Bernie Sanders.
Kurz zuvor hat er mit einem Erdrutschsieg die Vorwahl in New Hampshire gewonnen. Er setzte damit ein Ausrufezeichen, zumal seine Konkurrentin keine geringere als die ehemalige First Lady, Senatorin und Außenministerin Hillary Rodham Clinton ist. Bernie Sanders hat einen Lauf.
Sanders mobilisiert die Jugend
Das Rückgrat der Kampagne von Bernie Sanders sind insbesondere Personen unter 30 Jahren. Freilich hat diese Altersgruppe lediglich einen Gesamtbevölkerungsanteil von circa 18%. Nichts desto trotz ist es bemerkenswert, dass in Iowa 84% und in New Hampshire 87% der jüngsten Wählergruppe für Sanders votierten. Seinem Wahlkampf verleiht dies eine zusätzliche Dynamik.
Der älteste Präsidentschaftskandidat fasziniert die Jugend. Bernie Sanders ist so etwas wie der (sozial-)demokratische Ron Paul, der 2012 mit seinen libertären Botschaften im republikanischen Vorwahlkampf ähnlich große jugendliche Massen in seinen Bann zog.
Die politische Ausrichtung von Sanders ist natürlich eine andere. Er wettert gegen den politischen Mainstream, gegen Großunternehmen und generell gegen das Establishment. Sanders trifft damit den Gemütszustand insbesondere von liberalen (im amerikanischen Sinne), jungen Wählern.
Dass Sanders selbst zum politischen Establishment gehört, spielt hierbei keine Rolle. Wenngleich als „Unabhängiger“ hat er seit mittlerweile 35 Jahren öffentliche Ämter inne: Bürgermeister, Mitglied des Repräsentantenhauses und Senator.
Vorteil gegenüber Clinton: Glaubwürdigkeit
Das Establishment verkörpert vielmehr seine Konkurrentin um die demokratische Präsidentschaftskandidatur: Hillary Clinton. Deren Schwächen sind Bernies Stärken: Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit.
Für ein Drittel der Wähler von New Hampshire war Ehrlichkeit ausschlaggebend für ihre Wahlentscheidung. Hiervon votierten 92% für Sanders, lediglich 6% für Clinton. Die Skandale der vergangenen Jahre haben ihre Spuren bei Hillary hinterlassen.
Ebenso hat Sanders die Glaubwürdigkeit auf seiner Seite: Wenn er beispielsweise von Bankenregulierung oder Abschaffung der Studiengebühren spricht, ist dies glaubhafter als von einer Kandidatin, welche mit der Wall Street verflochten ist und von Universitäten Redegelder in sechsstelliger Höhe annimmt.
Clinton bleibt Favoritin auf die demokratische Nominierung
Doch bei allem Hype um Bernie Sanders bleibt er dennoch der Außenseiter gegen Hillary Clinton. Nicht nur weist Hillary in den meisten kommenden Vorwahlstaaten eine bessere Wahlkampfstruktur auf. Auch werden zukünftig vermehrt Minderheiten den Ausgang der Wahlen entscheiden.
War die Wählerschaft von Iowa und New Hampshire noch von Weißen, über 90% der Bürger in diesen Staaten gehören dieser Gruppe an, geprägt, wird sich dies insbesondere in den Südstaaten ändern. South Carolina, Georgia, Texas und andere Staaten weisen einen Minderheitenanteil von über 50% auf.
Diese Minderheiten bilden Clintons sogenannte „Firewall“ gegen Bernie. So ist Clinton beispielsweise bei Afroamerikanern traditionell beliebt. Zuletzt erhielt sie sogar vom einflussreichen Black Caucus eine öffentliche Wahlempfehlung. Sanders weiß ob diesen Nachteil und versucht ihn wettzumachen.
Mit TV-Spots, in denen Dr. Martin Luther King Jr. auftaucht oder seine Einwanderergeschichte erzählt wird, sollen Afroamerikaner und Hispanics für Sanders sensibilisiert werden. Ebenso konnte er die Tochter von Eric Garner, der von der New Yorker Polizei getötet wurde, als Unterstützer gewinnen.
Bernie Sanders hat noch einen weiten Weg vor sich. Seine Ideen haben jedoch schon jetzt den demokratischen Vorwahlkampf geprägt.
Der Autor
Kai-Uwe Hülss M.A. ist Politikwissenschaftler und Soziologe mit dem Schwerpunkt in politischer und gesellschaftlicher Kultur. Vor seinem Studium in Göttingen und Erlangen hat er als Industriekaufmann gearbeitet. 2006 wurde er mit dem Dr. Kapp Vorbildpreis der Metall- und Elektroindustrie für überdurchschnittliches ehrenamtliches Engagement ausgezeichnet. Er betreibt den Blog 1600 Pennsylvania zur Präsidentschaftswahl 2016 und schreibt für The Huffington Post Deutschland.