Perspektive zum Shutdown

Von David C. Stock

Wenige Themen versetzen die USA gerade so in Aufregung wie die mögliche Zahlungsunfähigkeit ihrer Regierung, wenn am 17. Oktober kein Kompromiss über eine Anhebung der Schuldengrenze und die Verwendung von Steuermitteln getroffen werden sollte. Mir selbst sagte ein guter Freund aus Washington vor Kurzem noch am Telefon, er wüsste beim besten Willen nicht, was passieren sollte, wenn an diesem Tag keine Lösung gefunden wird und die US-Regierung tatsächlich zahlungsunfähig werden sollte.

Was die Unsicherheit über die möglichen Konsequenzen angeht, scheint es uns allerdings allen so zu gehen. Nur die Schuldfrage ist schnell geklärt: die Demokraten schieben die Schuld den Republikanern zu; die Republikaner sehen die Schuld an diesem Stillstand natürlich bei den Demokraten, die Medien sehen die Tea-Party als die Verursacher allen Übels und die Tea-Party sieht die Schuld bei der hoffnungslosen Überschuldung, verursacht durch die stetig wachsenden Regierungstätigkeit – die im Übrigen nicht erst seit Obama ein ernstes Problem darstellt. Soweit also das übliche „Blame Game“. Was sicher ist, ist die Tatsache, dass das Problem hier nicht in der Einnahmenseite, sei es über Steuererhöhungen oder weitere Verschuldung, sondern auf der Ausgabenseite zu finden ist. Die Verschuldung der USA hat im Laufe der letzten Jahre tatsächlich unerreichte Höhen erreicht – die Gründe liegen hier deutlich weiter, als nur bei den Militäreinsätzen in Afghanistan und dem Irak oder den Maßnahmen zur Stabilisierung der Wirtschaft infolge der Finanzkrise (über deren Effektivität sich auch trefflich streiten lässt). Unter Präsident Obama hat sich die Staatsverschuldung von 10,6 Billionen auf inzwischen 16,7 Billionen USD summiert. Es ist also mehr als legitim, dass eine Mehrheit des Kongresses gegen diese alles andere als nachhaltige Haushaltspolitik vorgeht und im Rahmen ihres Mandats der Regierung die Grenzen dieser Politik auf Pump aufzeigt. Die Alternative wäre ein weiteres Ignorieren des Problems, „to kick the can down the road“, wie es so schön heißt. Aber auch hier gilt, man kann ein Problem nur eine gewisse Zeit ignorieren – irgendwann folgen Handlungen auch Konsequenzen, und das ist spätestens der Fall, wenn die Tilgung der Schulden und insbesondere die daraus resultierende Zinslast nicht mehr tragbar werden und auf die Jahrzehnte auf Pump der Schuldencrash folgt. Die Politik der stetigen Verschuldung half nur einigen Wenigen und die Rechnung zahlt „Average Joe“, der US-Steuerzahler.

Sicherlich wurden über die letzten Jahre und Jahrzehnte auch Schritte ergriffen, um die Schuldenlast künstlich zu verringern – an allererster Front sei hier das Anleihenkaufprogramm der US-Notenbank Fed genannt, das so genannte Quantitative Easing (QE), in dessen Verlauf die Notenbank konstant Staatsanleihen kauft und somit der Regierung kostenlos Geld zur Verfügung stellt, welches somit überhaupt erst erschaffen wird. Durch diese Maßnahme wird einfach der US-Dollar dem Risiko einer steigenden Inflation ausgesetzt, um die Staatsschulden – und zeitgleich aber zwangsläufig auch die Sparguthaben der Bürger – an Wert verlieren zu lassen. Diese Politik hilft langfristig lediglich der überschuldeten Regierung und einigen Wenigen, die den Hauptanteil Ihres Vermögens in Aktien halten. Der nächste große Schritt in diese Richtung war die Nominierung Janet Yellens als künftige Vorsitzende der Fed; sie ist nämlich eine mindestens ebenso große Anhängerin dieses Programmes zur künstlichen Erhöhung der Geldmenge wie ihr Vorgänger, Ben Bernanke. Ich selbst hatte das Glück, 2010 bei einem Hearing im Senat anwesend zu sein, wo Bernanke einen Bericht über seine Tätigkeit abliefern und sich für seine lose Geldpolitik rechtfertigen musste – und obwohl bereits damals, insbesondere seitens der republikanischen und einiger unabhängiger Senatoren, große Kritik geäußert wurde und die Risiken längst bekannt sind, folgte die Regierung weiter diesem potentiell gefährlichen Pfad. Auch der US-Dollar ist letzten Endes nicht unfehlbar, und durch weitere Manipulationen durch die Notenbank steigt das Risiko, dass eines Tages das Vertrauen in die Weltwährung kippt.

Ob nun der vorübergehende Shutdown der Regierung (welcher im eigentlichen Sinne kaum ein wirklicher „Shutdown“ ist, da 83% der Staatsausgaben weiterhin getätigt werden) nun im Vergleich zu einem stetigen stufenweisen Abbau der Staatstätigkeit vorzuziehen ist, sei dahingestellt. Dass eine mögliche Zahlungsunfähigkeit – so unwahrscheinlich sie auch ist – hier sicherlich keinen geeigneten Weg darstellt, um der Bevölkerung die Dringlichkeit dieser wirtschaftspolitischen Realität vor Augen zu führen, darüber lässt sich natürlich auch streiten. Fakt ist jedoch, dass, bei allen unangenehmen momentanen Konsequenzen, nicht ohne Weiteres zum Status Quo Ante zurückgekehrt werden darf und die Debatte über die anhaltende Ausweitung der Staatsausgaben am Laufen gehalten werden muss, wenn langfristig Schlimmeres verhindert werden soll. Insofern ist es bei dem aktuellen Standoff notwendig, auch auf die Hintergründe zu schauen und die Schuld nicht einfach bei dem Widerwillen zu suchen, eine (im Übrigen schwer zu finanzierende und inhaltlich stark umstrittene) Reform des Krankenversicherungssystems durchzusetzen, sondern hier ebenso die Verantwortung gegenüber kommenden Generationen in den Fokus zu rücken. Sie werden nämlich diejenigen sein, die den Schuldenberg letzten Endes zu tragen haben werden. 

  • 12.10.2013
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