Zunächst einmal darf ich betonen, dass ich die Bedenken der Mehrheit der Bürgerrinnen und Bürger vollumfänglich teile. Wenngleich ein Freihandelsabkommen Vorzüge mit sich bringen
kann, ist klar, dass solch ein Abkommen nicht um jeden Preis zustande kommen darf. Auch ich finde, dass das transatlantische Freihandelsabkommen nicht dazu führen darf, dass die hohen europäischen Verbraucherschutzstandards im sensiblen Lebensmittelbereich, insbesondere in Bezug auf unser Trinkwasser, unseren Sozialbereich oder im Datenschutz durch die Hintertür ausgehöhlt werden. Eine gegenseitige Anerkennung von Standards darf keinesfalls bedeuten, dass unsere europäischen Standards abgesenkt werden.
Ferner bin ich der Auffassung, dass die einzelnen Themen, die unter das Verhandlungsmandat fallen, sowie die Ergebnisse der einzelnen Verhandlungsrunden offener und transparenter kommuniziert werden sollten. Nur so können die Sorgen der Bürger berücksichtigt und durch Information für Klarheit und Sicherheit gesorgt werden.
Wo sind unsere roten Linien?
Ich bin der Ansicht, dass grundsätzlich mit hochentwickelten Rechtsstaaten, wie den USA, keine gesonderten Investitionsschutzabkommen abgeschlossen oder Investitionsschutzregeln in Freihandelsabkommen aufgenommen werden sollten. Sollten dennoch Investitionsschutzregeln im Freihandelsabkommen mit den USA vereinbart werden, ist auszuschließen, dass das demokratische Recht, allgemeine Regelungen zum Schutz von Gemeinwohlzielen zu schaffen, gefährdet, ausgehebelt oder umgangen wird oder dass ein Marktzugang, der solchen Regeln widerspricht, einklagbar wird. Ich lehne es entschieden ab, dass Schiedsgerichte für die Schlichtung von Streitfragen eingesetzt werden. Unsere nationale Gesetzgebung darf nicht durch internationale Schiedsgerichte ausgehebelt werden. Dies haben wir auch so in unserem Europaplan festgeschrieben. Es darf nicht zu einer Ablösung der Gerichtsbarkeit durch Schiedsgerichte kommen.
Aufgrund der Beanstandungen der Europaparlamentarier und dem massiven Protest der Bevölkerung hat auch die Europäische Kommission begriffen, dass es hier Klärungs- und Beratungsbedarf gibt. Durch ein öffentliches Konsultationsverfahren soll nun nach tragfähigen Lösungsansätzen gesucht werden. Von den Ergebnissen der Konsultation wird dann das weitere Vorgehen der Europäischen Union in dieser Frage abhängen.
Welche Rolle spielen die Europaparlamentarier und welche Position vertreten sie?
Das Europäische Parlament hat am 23. Mai 2013 eine Entschließung zu den Verhandlungen der EU mit den Vereinigten Staaten von Amerika über ein Handel- und Investitionsabkommen verabschiedet und hier bereits „Rote Linien“ festgelegt. Den genauen Text der Entschließung finden Sie unter diesem Link.
Das Parlament betont in dieser Entschließung ausdrücklich, dass ein Abkommen mit den USA keinesfalls zu einer Verminderung der europäischen Standards in Bereichen der europäischen Politik im kulturellen und audiovisuellen Bereich, im Datenschutz und im Hinblick auf den Schutz des geistigen Eigentums führen darf. Gerade im Hinblick auf sensible Themen, wie etwa genetisch veränderte Organismen (GVO), Klonen und Verbrauchersicherheit müssen die unterschiedlichen Auffassungen zwischen den USA und der EU beachtet und anerkannt werden.
Da das Europäische Parlament am Ende seine Zustimmung zu einem künftigen TTIP-Abkommen geben muss, ist es für die Kommission unerlässlich, die Position des EPs bereits in allen Phasen der Verhandlungen zu berücksichtigen. Insoweit hat es mich auch gefreut, dass die Europäische Kommission die Verhandlungen im Bereich Investitionsschutz unterbrochen hat, um den Bedenken der Bürger Rechnung zu tragen.
Chancen und Risiken müssen abgewogen werden
Ein Freihandelsabkommen kann, ungeachtet der geschilderten Bedenken, jedoch auch Vorteile mit sich bringen: Der Handel zwischen den USA und Europa umfasst trotz einer Reihe immer noch existierender Handelshemmnisse bereits heute rund ein Drittel der globalen Handelsströme. Entsprechend groß ist das Potenzial für Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand, das sich aus einer noch besseren Integration dieser beiden Wirtschaftsräume ergeben könnte. Daher begrüße ich grundsätzlich, dass Verhandlungen für ein transatlantisches Freihandelsabkommen aufgenommen wurden. Gerade in Zeiten, in denen wir die Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise noch immer spüren, kann ein solches
Freihandelsabkommen für wichtige Impulse für Wirtschaft und Wachstum sorgen. Gerade unsere jüngere Generation könnte so von neuen Jobs profitieren. Ob diesem dann zuzustimmen ist, hängt vom Ausgang der Verhandlungen und dem konkreten Verhandlungsergebnis ab.
Ich werde den Verlauf der Verhandlungen in meinen Ausschüssen kritisch begleiten. Das ausgehandelte Abkommen werde ich dann einer umfassenden Prüfung unterziehen. Am Ende werde ich einem europäisch-amerikanischem Freihandelsabkommen nur dann zustimmen, wenn es für uns in Deutschland erkennbare Vorteile durch dieses Abkommen gibt.