Warum eine Snowden-Befragung in Deutschland das einzig richtige Mittel ist.
Die Gegenthesen zum Beitrag „No Entry for Snowden“ von meinem geschätzten Kollegen Tim Segler.
– Ein grundsätzlicher Fehler, der bei der Diskussion häufig gemacht wird, ist die Annahme, dass Herr Snowden Spionage begangen hat. Dies ist nicht der Fall.
Ein Spion versucht Informationen für ein Land zu sammeln, das im Gegensatz oder zumindest in Konkurrenz zum ausspionierten Staat steht. Wichtig dabei ist, dass die gewonnen Informationen dem Gegner zugespielt wird. In beiden Beispielen im Beitrag von Herrn Segler stellt sich genau dieses Muster dar. Sowohl bei dem Fall im Jahre 1994, also auch bei dem Fall aus dem letzten Jahr hatten die Betroffenen im Auftrag einer fremden Regierung, also eines politischen Gegners, Informationen sammeln wollen und die gewonnen Informationen verdeckt übertragen.
Edward Snowden hat aber die Informationen dem eigenen Volk, genauer genommen der Presse, zugänglich gemacht. Ein Spion wäre er nur, wenn der US-Staat das eigene Volk und die freie Presse als Gegner sehen würde. Snowden ist also kein Spion.
Ein weißes Schaaf ist er aber nicht.
Der schwerste Vorwurf, den sich Herr Snowden also gefallen lassen muss, ist der Bruch seiner Verschwiegenheitsklausel mit seinem ehemaligen, privatwirtschaftlichen Arbeitgeber.
Eine Auslieferung in die USA wäre aber ein gesellschaftlich heikles Thema, da es nur schwerlich zu rechtfertigen ist jemanden, der nachweislich im Interesse der Allgemeinheit gehandelt hat, dafür zu bestrafen. Anders als der WikiLeaks-Informant Manning hat Snowden keine Menschenleben gefährdet sondern nur massive Verstöße gegen jegliche Grundrechte offengelegt. Nichts anderes ist die totale Überwachung durch die Geheimdienste nämlich. Eine Auslieferung und spätere Verurteilung Snowdens würden viele Bürger in Deutschland den USA sehr übel nehmen. Dies wäre der wirkliche Schaden für die transatlantische Freundschaft.
– Auch die Annahme, dass andere Formen der Befragung in irgendeiner Form gleichwertig zu einer persönlichen Befragung sind, halte ich für grundauf falsch.
Die deutsche Politik und Gesellschaft sollte auf diesem Spähangriff mit allen zu Verfügung stehenden Mitteln reagieren. Eine Befragung in schriftlicher Form oder eine Befragung per Fernübertragung sind dabei suboptimale Lösungen. Die Schriftform halte ich für ungeeignet, da diese keine unmittelbare Befragung ist. Auch die Live-Übertragung scheint mir problematisch. Zum einen wissen wir ja mittlerweile, dass ein ausreichender Schutz der Verbindung in keinem Fall garantiert werden kann, sodass davon auszugehen ist, dass auch ausländische Geheimdienste unmittelbar diese Anhörung mitverfolgen können, zum anderen dürfte sich ein Herr Snowden dieser Situation mehr als bewusst sein und könnte daher davon absehen bestimmte, weiterführende Informationen zu teilen. Besonders die Auflage Putins, dass Snowden nur in Russland geduldet ist solange er selbst keine neuen Enthüllungen mehr wagt sehe ich als extrem problematisch. Eine Übertragung ist in meinen Augen alles andere als zielgerichtet. Die letzte angeführte Möglichkeit wäre also eine Reise nach Russland um Snowden direkt vor Ort zu befragen. Dies würde den russischen Auflagen entsprechen und klingt im ersten Moment absolut sinnvoll. Für optimal halte ich aber auch diese Methode nicht. So kann man nur schwerlich in Russland sicherstellen, dass die Befragung nicht abgehört wird. In Deutschland sollte man hier keinen Interessensausgleich wagen oder dulden, sondern schlicht im eigenen Interesse handeln. Vertrauen ist nach dem Bekanntwerden der Totalüberwachung nämlich ein Gut geworden, dass ich andere Staaten, ja, auch die USA, erst wieder verdienen müssen.
– Fraglich ist zudem der letzte Punkt, den Herr Segler anspricht.
Hier hinterfragt er, ob eine Befragung Snowdens überhaupt zielgerichtet sein kann.
Ich denke, dass allein die Möglichkeit, dass Herr Snowden maßgeblich zur Aufklärung beitragen könnte ausreicht, um ihn in einem Verfahren zu befragen. Gleichzeitig ist er aber auch die einzige Person, die die Komplexität der Überwachungssituation veranschaulichen kann. Es ist durchaus möglich, dass Edward Snowden noch weitere Details preisgeben kann, diese aber in einer Live-Übertragung aus den oben genannten Gründen nicht in vergangenen Video-Befragungen preisgegeben hat. Er ist Kronzeuge in einem Fall der potentiell die größte Grundrechtsverletzung seit Beginn der Bundesrepublik behandelt. Snowden hat sich durch seinen Aufenthalt in Russland aber dazu verpflichtet selber keine weiteren Enthüllungen zu tätigen und beschränkt sich derzeit stattdessen darauf zu warten was die Journalisten, die im Besitz der Daten sind, nach und nach herausfinden.
Es ist aber durchaus vorstellbar, dass Snowden dem Untersuchungsausschuss auch Informationen geben kann, die nicht aus den Schriftstücken hervorgehen, die er der Presse zugespielt hat.
Doch selbst wenn die Befragung absolut keinen Zugewinn für das Verfahren bedeuten sollte, wäre es fatal den einzigen Zeugen nicht persönlich zu befragen, denn die Wichtigkeit dieses Ausschusses für die Demokratie und das Ansehen der USA in Deutschland und Europa, dürfte unumstritten sein.
Ich sehe eine Befragung von Edward Snowden als alternativlos an, da die involvierten Geheimdienste, wie die NSA, die GCHQ und der BND nicht die Möglichkeit wahrgenommen haben selbst Licht ins Dunkel zu bringen.