Das transatlantische Erbe – Bericht und Gedanken zur IjT-Kampagne „Mein Amerika“

Bekennende Transatlantiker zu sein ist in diesen Tagen alles andere als einfach. Gestützt auf nicht abreißende negative Schlagzeilen werden Amerika und die transatlantische Beziehung kritisiert und in Frage gestellt. Dies geschieht je nach Zielsetzung der Kritiker mal konstruktiv, mal polemisch. Aber mit allen von ihnen müssen wir uns umfassend auseinandersetzen. Dabei darf die Diskussion nicht allein an der Oberfläche kratzen, denn die Debatten sind im Kern richtig und wichtig, sie sind zugleich aber Symptome einer tiefergehenden Fragestellung: Warum gibt es die transatlantische Partnerschaft und was macht sie aus?
„Mein Amerika – Was bedeutet Amerika für mich?“

Christian Schiller ist seit 2012 Mitglied der IjT und hierbei für die Vereinskampagne „Mein Amerika“ verantwortlich.

Christian Schiller ist seit 2012 Mitglied der IjT und hierbei für die Vereinskampagne „Mein Amerika“ verantwortlich.


Die Frage nach Grund und Ausgestaltung der transatlantischen Beziehung beschäftigt uns junge Transatlantiker natürlich schon länger. Dies zeigt schon unser Engagement. Um ihr auf breiter Basis intensiv nachgehen zu können, haben wir im Frühjahr des vergangenen Jahres zur Teilnahme an unserer Kampagne „Mein Amerika“ aufgerufen. Wir wollten von Menschen, ob jung oder alt, ob deutsch oder Amerikaner, erfahren, was für sie Amerika ausmacht. Das Ergebnis ist keine einseitige Lobhudelei amerikanischen Lifestyles geworden, sondern eine facettenreiche Collage, die auch weniger schöne Seiten nicht ausspart. Am Ende überwog ein positiver Eindruck von Amerika und den Möglichkeiten, die in der transatlantischen Beziehung stecken.
Amerika mag viel Vertrauen eingebüßt haben, nicht aber seine Faszination: Das hat unsere Kampagne bewiesen. Amerika lässt sich an vielem festmachen: an seiner überwältigenden Naturlandschaft, an seinen Städten und Skylines, an der Art und Weise, wie Menschen – manchmal über hunderte von Meilen entfernt – zu sportlichen oder politischen Veranstaltungen zusammenkommen und gemeinsam eine gute Zeit verbringen. Eingesandte Bilder und Berichte von nationalen Symbolen wie der Freiheitsstatue oder der Golden Gate Bridge vervollständigen das Mosaik ebenso wie Beiträge über die Wüsten des amerikanischen Südwestens und die Shopping Malls der größten Metropolen. Viele der Kampagnenteilnehmer berichten von ihren Erfahrungen, die sie während ihrer Zeit als Austauschschüler oder Austauschstudenten gemacht haben, und heben besonders die Gastfreundschaft ihrer Gastfamilien hervor und beschreiben, wie sie für die Dauer ihres Aufenthalts – und manchmal auch darüber hinaus – Teil einer aufgeschlossenen Lebenskultur wurden.
Daran lässt sich erkennen: Amerika „ist ein unsichtbares und einendes Fundament, auf das man als Staatsbürger stolz sein kann. Und zwar in jeder Lebenslage. Amerika ist für mich dynamisch, niemals schon fertig. Die Amerikaner passen sich ihrer jeweiligen Situation an und machen das Beste daraus. Das ist ein großer Unterschied zu Deutschland.“ (Marco aus Bonn). Amerikas Anziehungskraft gründet sich auf Optimismus, Begeisterungsfähigkeit, Vielfalt und Chancen. Sie lässt Menschen in die Ferne ziehen, um in einem fremden Land ihr Glück zu machen, doch braucht man nicht unbedingt weit vor die Haustür zu gehen, um Amerika zu erleben. Denn Amerika ist eine Idee, eine Vision, ein Lebensgefühl: „Wer Amerika will, muss nicht nach Amerika reisen. Jeans, iPhone, Hollywood, Madonna –  We’re all living in America!“ (Sina aus Meißen).
Eigene Antworten auf die Fragen der Zeit finden
Dieses Ergebnis ist nicht selbstverständlich, denn besonders unsere junge Generation wächst in die transatlantische Partnerschaft als eine historische Gegebenheit hinein. Diese Partnerschaft ist ein Erbe, übertragen von jenen, die sie begründeten und formten. Dazu zählen auch die jüngsten Ereignisse in der transatlantischen Beziehung. Die Frage lautet: Nehmen wir dieses Erbe an und wenn ja, was machen wir daraus?
Heutzutage scheint die Einschätzung zu überwiegen, dass andere für das eigene Glück verantwortlich seien. Wann immer die Dinge nicht nach Plan laufen, wird nach Staat, Politik oder anderen gesellschaftlichen Institutionen gerufen. In vielen Fällen müssen sie aktiv werden, aber: In wie viel mehr Fällen können Probleme aus eigener oder gemeinsamer Kraft gelöst werden? Ist es für die eigene Entwicklung und das Wohl des Gemeinwesens nicht förderlicher selbst aktiv zu werden, Verantwortung zu übernehmen, sich einzusetzen, Dinge ins Rollen zu bringen?
Liest man die zahlreichen Beiträge, die uns zu unserer Kampagne erreicht haben, dann schimmert dieser Grundgedanke immer wieder durch, denn er wird mit Amerika assoziiert. Dabei ist es nicht einfach nur „the land of opportunity“. Es ist ein Land, in dem Eigeninitiative, das Erblicken und Nutzen von Chancen und die Bereitschaft, etwas für die eigenen Wünsche und Ziele zu unternehmen, als Tugenden hochgehalten werden. Und wenn man es selbst nicht schafft, helfen Nachbarn, Freunde, ganze Ortschaften. Die Neigung, Dinge in Bewegung zu setzen, Menschen für Themen zu begeistern und zu mobilisieren, sind ganz herausragende „amerikanische Eigenschaften“, von denen wir uns ein wenig anstecken lassen können. Sie könnten uns auch helfen, mit unseren amerikanischen Freunden den drängenden Fragen nach gemeinsamen Werten, ihrer Umsetzung und Verteidigung, nach fairer Kooperation auf wirtschafts- und sicherheitspolitischer Ebene nachzugehen, überhaupt unsere eigenen Antworten auf die Frage zu finden: Warum sollten wir in einer transatlantischen Partnerschaft leben?
Ich wünsche uns Transatlantikern, dass es uns gelingt, auf diese Fragen Antworten zu finden und aus den Fehlern und Unstimmigkeiten der Vergangenheit konstruktive Schlüsse für die Zukunft zu ziehen. Denn hier sind wir als IjT gefragt, allen interessierten Menschen eine geeignete Plattform zu bieten und durch themenbasierte Projekte den Austausch untereinander zu befördern. Ideen, Initiative, Verantwortung und auch ein bisschen Mut sind in diesen Tagen besonders gefragt.
Let’s do it.

  • 13.01.2015
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