Im November nächsten Jahres wird „der mächtigste Mann“ oder die „mächtigste Frau“ der Welt gewählt. Die Rede ist von der Wahl des U.S.-Präsidenten. Mit einer Interview-Reihe startet die Initiative junger Transatlantiker in die Wahlkampfbegleitung. Jonas Emmerich hat in einem Telefoninterview mit Frauke-Sophie Nieskens, Wahlhelferin im letzten Obama-Wahlkampf über ihre Erfahrung im Bundesstaat Florida und das amerikanische Wahlsystem gesprochen.
JE: Frauke-Sophie, du warst 2012 im Team von Barack Obama im Bundesstaat Florida als Wahlkampfhelferin tätig. Warum hast du dich dafür entschieden den Wahlkampf in den USA aktiv zu unterstützen?
FS: Ganz einfach: Das amerikanische Wahlsystem interessiert mich sehr! Es ist eben keine Direktwahl, bei der der Präsident direkt vom Volk gewählt wird, sondern erst die Wahlmänner gewählt werden. Speziell Florida gilt als Swing State, bei dem das Ergebnis nicht von vornherein festgelegt ist und dadurch habe ich mich entschlossen nachzufragen, ob ich dort in einer Kampagne freiwillig mitarbeiten kann.
JE: Obama hat 2012 im Staat Florida mit weniger als 1 % Vorsprung gewonnen und somit die Stimmen aller 29 Wahlmänner erhalten…
FS: Genau hier liegt das Problem. Auch war das Ergebnis aus Florida eines der letzten und somit im Fokus der Debatte. Verglichen mit dem Staat Kalifornien, die ja immerhin über 50 Wahlmänner entsenden, zeigt sich hier ein Ungleichgewicht in der öffentlichen Wahrnehmung.
Wahlkampf aus dem Wohnzimmer. Showbühne statt Sitzungssaal. Unterschiede zum deutschen Wahlkampf.
JE: Wie kam es zu der Entscheidung Obama und nicht Romney zu unterstützen?
FS: Es ging eine Sympathiewelle durch das Land. Obama hat sehr große Versprechungen gemacht, die er am Ende seiner Amtszeit vielleicht nicht alle umsetzen konnte. Allein der gesamte Auftritt war sympathisch und hat einen komplett mitgezogen.
JE: Wahlkämpfe in den USA laufen stets auf einen Showdown zwischen dem Kandidaten der Republikaner gegen den demokratischen Kandidaten heraus. Wie bewertest du die Rolle weiterer Parteien, beispielsweise der Green oder Justice Party?
FS: Von denen hat man im Wahlkampf nicht viel mitbekommen. Sie spielen keine große Rolle, sondern es läuft vielmehr auf die beiden großen Parteien hinaus. Ich habe während meiner Zeit in Florida sehr wenige Gespräche mit Unterstützer anderer Parteien geführt.
JE: Ein großes Problem stellt die Registrierung im Vorfeld der Wahl dar…
FS: …Richtig! Viele Leute waren schlicht nicht registriert und damit auch nicht wahlberechtigt. Es ging zunächst darum die Leute via Telefon davon zu überzeugen, sich zu registrieren und erst anschließend für Obama werben konnte, wobei ersteres immer am schwierigsten war. Ich habe die verschiedensten Ausreden gehört, was ich persönlich etwas fragwürdig fand.
JE: Wie hast du im Wahlkampf diese Telefongespräche für Obama geführt?
FS: Wir saßen überwiegend in Privatwohnungen; richtige Büros findet man im Wahlkampf selten. Man wurde in verschiedene Bereiche eingeteilt und erhielt ein Fragenskript. Grundsätzlich musste man während der Telefonate, bei denen wir am Wohnzimmertisch saßen, frei argumentieren und einen Bogen ausfüllen. Das konnte sehr unterschiedlich ausfallen, da man dem Verzeichnis nicht immer entnehmen konnte, welcher Partei der Angerufene zugeneigt ist. Da hätte ich mir eigentlich eine andere Art Wahlkampf vorgestellt.
JE: Wahlkämpfe in den USA werden oft als großes Entertainment angesehen. Welche generellen Unterschiede siehst du zwischen den Wahlkämpfen in Deutschland und in den USA?
FS: Es fehlt in einigen Bundesstaaten an der Nähe zwischen Kandidaten und Bevölkerung. Vieles richtet sich hier nach der Bevölkerungsanzahl. Die Wahl als solche findet im Alltag vieler Menschen kaum Bedeutung.
Auch die Art der Wahlkampfreden unterscheiden sich komplett. Ich habe Obamas Auftritt in Florida fast väterlich empfunden. Obama hat gepredigt und die Zeremonie kam mir wie ein Gottesdienst vor. Zudem wurde er von den Massen regelrecht angehimmelt. Die Stimmung war wie in einem Stadion, unbeschreiblich!
Wahlplakate oder Stände sind sehr selten. Man zieht als Wahlkämpfer von Tür zu Tür und telefoniert sehr viel mit den Leuten, ohne politische Inhalte zu diskutieren. Das trägt definitiv nicht zu einer kritischen Auseinandersetzung politischer Inhalte bei.
Am Telefon für Obama werben. Gegenwind scheint vorprogrammiert. JE: Wenn du an die geführten Gespräche zurückdenkst: war diese Diskrepanz einer der Hauptkritikpunkte? Hast du von anderer Seite starken Gegenwind bekommen?
FS: Florida ist vom demographischen Wandel sehr stark geprägt. Man hat besonders von republikanischer Seite einige Stereotypen gehört. Ich wurde manchmal sogar angeschrien, den Teufel zu unterstützen. Auf Inhalte wurde dann sehr selten eingegangen. Andere waren wiederum offen und zugänglich für Argumente.
JE: Wie wurdest du als Deutsche im Wahlkampfteam vor Ort aufgenommen?
FS: Eigentlich werden selten Freiwillige angesprochen. Der Einstieg ist oft recht schwierig. Ich bin in die Gruppe als eine der jüngsten gekommen und wurde sehr gut aufgenommen. Ein besonderes Augenmerk auf meine Tätigkeit wurde allerdings nicht gelegt. Es gab auch keine Unterschiede zu den amerikanischen Wahlhelfern.
JE: Obama hat während des Wahlkampfes auch in Florida eine Rede in dem Habour Side Event Center gehalten. Wie zeigte sich die Stimmung in Vorfeld?
FS: Es gab nur 500 oder 600 Karten, für die man an einem bestimmten Wahlbüro teilweise sieben Stunden bei tropischen Temperaturen für Eintrittskarten anstehen mussten. Obama hat am nächsten Tag um zehn Uhr seine große Rede gehalten und die Menschen haben teilweise schon seit sechs Uhr dort auf ihn gewartet. Die Rede war sehr mitreißend. Das Publikum hat ihn nahezu vergöttert.
JE: Vielen Dank für das interessante Gespräch, Frauke-Sophie!
Hintergrund: Die Rede von Obama am 20. Juli 2012 in Fort Myers findet ihr hier: REDE.