Nationale und internationale Schiedsgerichtsbarkeiten — eine kritische Auseinandersetzung

Von Frauke-Sophie Nieskens und Jonas Emmerich (1) — Der Artikel soll in die Grundlagen der Schiedsgerichtsbarkeit einführen. Er vermittelt erste Grundzüge im Bereich der nationalen und internationalen Schiedsgerichtsbarkeiten und setzt sich durchaus kritisch mit ihnen auseinander.


1. Rechtliche Grundlage

Trotz der Stellung des Schiedsgerichtsverfahrens außerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit ist das Verfahren nicht gänzlich der Eigenverantwortung der Parteien überlassen, sondern in Deutschland als materiell-rechtliche Institution (2) in der ZPO geregelt. Es unterliegt verfassungsrechtlichen Mindeststandards (Art. 97 GG) u.a. bei der Urteilsfindung sowie dem Gebot der überparteilichen Rechtspflege (3), aus dem die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der Schiedsrichter folgt. (4) Innerhalb dieser Grenzen sind vertragliche Abweichungen vom nationalen Privatrecht im Zuge der Autonomie möglich. Vielfach wird die Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) (5) herangezogen. Zur Gewährleistung der Einhaltung von Mindestanforderungen ist ein Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte unter den Voraussetzungen der ZPO überprüfbar, so dass die Parteien nicht vollkommen auf einen staatlichen Rechtsschutz verzichten, § 1037 Abs. 3 S. 1, §§ 1059, 1062 ZPO. Je nach Ausprägung des Schiedsverfahrens ist die Möglichkeit der Korrektur durch eine eigenständigen Revisionsinstanz gegeben.

Ein auffälliger Unterschied zum ordentlichen Zivilverfahren sind die fehlenden Aufklärungs- und Hinweispflichten der Richter. Insoweit ist die materielle Prozessleitung (6) im Schiedsgerichtsverfahren zu vernachlässigen. (7) Anders als vor ordentlichen Gerichten werden Schiedsgerichtsverfahren häufiger von Investoren (auch Privatpersonen!) angestrengt. Hier sind fundiertere juristische Kenntnisse als Wertungsmaßstab des Gerichtes anzulegen.


2. Was nutzt uns außergerichtliche Streitbeilegung?

Die Nutzen außergerichtlicher Streitbeilegungen durch Schiedsgerichte sind politisch hoch umstritten. Während dieses Vorgehen als Paralleljustiz abgelehnt wird (8), sehen andere hierin ein bewährtes und effizientes Mittel der Streitbeilegung (9). Dabei sollen Schiedsrichter eine gewisse Praxisnähe haben und so Probleme des Handelsrechts vernünftig und effizient klären. Im Bereich des ausländischen Investorenschutzes stellen Schiedsgerichte die einzige Möglichkeit zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes dar. Investoren können innerhalb eines Staates auf Grundlage der nationaler Rechtsordnungen klagen. Wird die Prozessfähigkeit ausländischer Investoren durch innerstaatliches Recht aberkannt und der Zugang zu ordentlichen nationalen Gerichtsbarkeiten verwehrt, können ausländische Investoren oftmals nur noch internationale Schiedsgerichte anrufen.


3. Ausgestaltung des Schiedsgerichtsverfahrens

Schiedsgerichtsverfahren sind Verfahren zur Entscheidung von zivilrechtlichen Streitigkeiten (10), die neben staatlichen Gerichtsverfahren stehen. Es handelt sich damit um ein privates Zivilgerichtsverfahren, das nur dann geführt werden kann, wenn die beteiligten Parteien übereinstimmend erklären, ihre vermögensrechtlichen Streitigkeiten vor einem Privatgericht führen zu wollen.

Neben den national geregelten Schiedsgerichtsverfahren haben insbesondere internationale Schiedsgerichtsverfahren, an denen Unternehmer auf der einen Seite und Staaten auf der anderen Seite beteiligt sind, an Bedeutung gewonnen. Dabei eröffnet dies die Möglichkeit, die Entscheidungen des Staates vor einem internationalen, unabhängigen Schiedsgericht (11), das keinem politischen Einfluss unterliegt, überprüfen zu lassen. So können z.B. beim Investor-Staat-Schiedsverfahren (ISDS (12)) Investoren (13) erreichen, dass Regierungen bestimmte internationale Bestimmungen einhalten. Mit dem Verfahren können sie beispielsweise gegen unfaire Behandlung, Zwangsenteignung ohne Entschädigung und Diskriminierung vorgehen.

Schiedsverfahren können als sog. institutionelles oder ad-hoc-Verfahren ausgestaltet sein. Beim institutionellen Verfahren wird ein ständiges Schiedsgericht vorgehalten und das Verfahren ist von vornherein organisiert (14), z.B. Wahl der Richter durch die Parteien aus einer festgelegten Liste, so dass aufgrund einer kurzen Verfahrensdauer ein solches Verfahren für die Parteien vorteilhaft ist. Dagegen beschränkt sich das ad-hoc-Verfahren auf einen bestimmten Einzelfall, für den die Parteien ihr eigenes Verfahren aufstellen können, soweit nicht zwingend einzuhaltende Vorschriften betroffen sind. (15)


4. Restricted Area. Der Ausschluss der Öffentlichkeit

Im Gegensatz zu staatlichen Gerichtsverfahren (16) sind Schiedsgerichtsverhandlungen meist nicht öffentlich. Dies ist für die Parteien unter dem Gesichtspunkt der Verschwiegenheit sehr häufig für die Wahl des Verfahrens ausschlaggebend, insbesondere dann, wenn der Gegenstand der Auseinandersetzung oder die Namen der Parteien geheim gehalten werden sollen. Der Öffentlichkeitsausschluss gilt auch für den Schiedsspruch selbst, so dass die Parteien bestimmen, ob überhaupt und wenn ja, was in die Öffentlichkeit gelangt. Die Geheimhaltung ist oftmals einer der meist kritisierten Punkte in der Schiedsgerichtsbarkeit. Zwar stellt sich für die Öffentlichkeit dieser Ausschluss als scheinbar rechtswidrig dar. Allerdings bedarf es einer Sichtweise eines Unternehmens. Für diese ist die Geheimhaltung essentiell und existenzbegründend, weil so trotz Verfahren das Unternehmen ohne Schädigungen bezüglich der Verbraucher seinen Geschäften nachgehen kann. Zwar hat der Verbraucher ein Recht zu erfahren wie es um das Unternehmen steht, jedoch hat er dies nicht, indem die Medien bereits vor Urteilserhebung Meinungsbildung betreiben. Hiervon erholen sich die wenigstens Unternehmen. Aus diesem Grund gibt es keine konkreten Zahlen zu den ad-hoc-Verfahren, während bei den institutionellen Verfahren z.B. auf der Website von ICSID (17) eine Liste aller anhängigen und abgeschlossenen Verfahren veröffentlicht ist, wann welcher Schriftsatz eingereicht wurde, wann die mündliche Verhandlung stattgefunden hat, wer die Schiedsrichter sind, wer welche Partei vertritt. Letztlich gilt aber auch in diesen Verfahren, dass die Parteien einer Veröffentlichung zustimmen müssen.


5. Schiedsrichter: Auswahl und Qualifikation

In einem Schiedsverfahren kann durch einen Einzelschiedsrichter oder ein sog. Dreierschiedsgericht Recht gesprochen werden. Einzelschiedsrichter können bei einem Streitwert unter 100.000 Euro gewählt werden, während beim Dreierschiedsgericht jede Partei einen Schiedsrichter benennt und diese den Vorsitzenden bestellen.

Neutralität und Unabhängigkeit des Schiedsrichters stellen rechtsstaatliche Mindeststandards dar, die unverzichtbar sind. Auch wenn die Parteien erheblichen Einfluß haben, muss die Auswahl des Schiedsrichters dem Gebot der Transparenz unterliegen: soweit Schiedsrichter über eine entsprechende Qualifikation verfügen, ist ihre Wahl durch die Parteien zu ermöglichen. Mögliche Listen, die einseitig von den Parteien vorher gefertigt wurden, widersprechen dem Neutralitätsgebot. Gleiches gilt für eine vorher festgelegte Zahl von zu wählenden Schiedsrichtern, da insoweit keine ausreichende Wahlmöglichkeit gewährleistet ist.

Schiedsrichter benötigen allerdings zur Sicherstellung der Qualität der Schiedsurteile sowohl ausreichende Sachkenntnisse als auch ausreichende Erfahrung. Diese Anforderungen sind allgemeinverbindlich festzuhalten und müssen für alle gelten. Zwar wird in der Praxis die Schiedsrichtertätigkeit vor allem von pensionierten Richtern ausgeübt, zwingende Voraussetzung darf dies jedoch nicht sein, da auch ausgewiesene Experten in Wissenschaft und Anwälten über die geforderte Qualifikation verfügen können. Insoweit verlangen die Schiedsordnungen zu Recht Mindeststandards bzgl. der Qualifikation, deren Einhaltung regelmäßig  zu überprüfen ist sowie konkret ausformulierte Verhaltenskodex, dem die Schiedsrichter unterliegen.

Soweit z.B. Schiedsrichter beim ICC tätig werden, müssen sie weit höhere Anforderungen an ihre Unabhängigkeit erfüllen als selbst die Richter des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), was aus einem Vergleich der Anforderungen des BVerfGG mit den für Schiedsrichter geltenden strengeren Regeln hervorgeht.


6. Problempunkt: Kosten

Unterliegt eine Partei im ordentlichen Zivilprozess, so hat sie die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (18). Im Schiedsverfahren richtet sich dies zunächst nach den privatrechtlichen Vereinbarungen der streitenden Parteien. So können die Anteile der Parteien vor Verfahrensbeginn festgelegt werden. Liegen keine privaten Vereinbarungen vor, entscheidet das Schiedsgericht in einem Schiedsspruch über die Anteile der Kosten. (19) Die Kostenentscheidung ist im Übrigen auch bei einer Abweisung der Klage zu treffen. (20) Allerdings dürfen die Schiedsrichter nicht über die Höhe des Streitwertes oder die Gebühr des Verfahrens entscheiden. (21) Dies könnte mitunter auch auf die Parteilichkeit eines Schiedsrichters hindeuten.

Bei einem Streitwert von 5.000 Euro sind die Kosten des Gerichtes mit ca. 3.800 Euro noch übersichtlich, obgleich Auslagen des Schiedsgerichts und Parteikosten jeweils nicht berücksichtigt sind. Legt man der Kalkulation einen Streitwert von 150.000 Euro zugrunde, belaufen sich die Kosten bereits auf über 20.000 Euro. Nicht selten werden Schiedsgerichtsverfahren allerdings gegen willkürliche Enteignung oder die Diskriminierung von ausländischen Investoren angestrengt. Sind ganze Unternehmen betroffen, so beläuft sich der Streitwert schnell auf 20 Millionen Euro. Bereits in diesem Falle entstünden bei einem Dreier-Schiedsgericht Kosten von über 260.000 Euro. Zudem lassen sich einige Staaten oft von mehreren Dutzend Anwälten vertreten. Diese Kosten sind ebenfalls von der unterlegenden Partei zu übernehmen. (22) Gerade für kleine und mittelständische Unternehmen kann das Prozessrisiko in einem solchen Fall so hoch sein, dass Klagen gar nicht angestrengt werden. Aufgrund drohender finanzieller Schäden gehen Klagen privater Investoren gegen Staaten hinreichende Prüfungen der Aussichten auf Erfolg voraus.


(1)Frauke-Sophie Nieskens studiert Rechtswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München; Jonas Emmerich ist Vorsitzender der Initiative junger Transatlantiker und studiert Rechtswissenschaften an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken.
(2) Müko ZPO/Münch, Vor § 1025 Rn. 1.
(3) BGH, Urt. v. , BGHZ 51, 255, 258; BGH, urt. v. , BGHZ 54, 392, 395; BGH, Urt. v. , BGHZ 98, 70, 72.
(4) Vgl. zu den allgemeinen Verfahrensregeln § 1042 ZPO.
(5) http://www.dis-arb.de/de/16/regeln/uebersicht-id0, abgerufen am 20. November 2015.
(6) § 139 ZPO.
(7) OLG München, Beschluss vom 09. November 2015 – 34 Sch 27/14 –, Rn. 32, juris.
(8) vgl. Justizia verzieht sich ins Hinterzimmer, Hielscher, Henryk, Kroker, Michael, Haerder, Max, Henrich, Anke http://www.wiwo.de/unternehmen/industrie/schiedsgerichte-justitia-verzieht-sich-ins-hinterzimmer/8126350.html, abgerufen am 20. November 2015.
(9) so Schill in Verstoßen die TTIP-Schiedsgerichte gegen das GG?, Recht u Politik 2015, 11.
(10) vgl. § 1030 ZPO.
(11) Z.B. 1923 in Paris gegründeter Internationaler Schiedsgerichtshof der ICC (International Chamber of Commerce).
(12) (Investor-State Dispute Settlement).
(13) So fordert die EU als größter Investor der Welt mehr Transparenz und Mindeststandards, hat dies jedoch beim TTIP vorerst ausgeklammert.
(14) Z.B. Schiedsgerichtshöfe der ICC, www.iccarbitration.org, SCC, www.sccinstitute.com; DIS-SchO, www.dis-arb.de oderSGOBau, www.baurecht-ges.de.
(15) § 1042 Abs. 3 ZPO.
(16) § 169 S. 1 GVG.
(17) Modellvertrag für US-amerikanische bilaterale Investitionsabkommen sieht seit 2004 in Art. 29 eine weitestgehende Öffentlichkeit sämtlicher Verfahrensunterlagen und die Möglichkeit vor, Amicus Curiae-Schriftsätze einzubringen. Letztlich müssen die Parteien aber immer noch zustimmen;https://icsid.worldbank.org/ICSID/FrontServlet?requestType=CasesRH&reqFrom=Main&actionVal=ViewAllCases
(18) § 91 I 1 ZPO.
(19) § 1057 I 1 ZPO.
(20) Geimer in Zöller, Kommentar zur ZPO, 29. Aufl. 2013, § 1057 Rn. 1.
(21) Geimer in Zöller, Kommentar zur ZPO, 29. Aufl. 2013, § 1057 Rn. 4.
(22) Über die Kosten des Verfahrens berichtet die Rechtsanwältin Sabine Konrad im Deutschlandradio Kultur: http://www.deutschlandradiokultur.de/internationale-schiedsgerichte-wirtschaft-entmachtet-politik.976.de.html?dram:article_id=294365.

  • 20.12.2015
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