Trudeau bildet Kabinett um

Im Fokus: Die neue Außenministerin Chrystia Freeland

von Robin Arens und Tobias Reuter (Kanada Department). Das politische Jahr 2017 hat auf dem Parliament Hill in Ottawa mit einer mittelgroßen Kabinettsumbildung begonnen. Premierminister Justin Trudeau hat am 10. Januar sechs Kabinettspositionen neu besetzt. Sicherlich gäbe es zu jedem der Wechsel genug Anlass, jeweils einen eigenen Beitrag zu verfassen, jedoch soll sich dieser Artikel auf die zwei bedeutensten Wechsel, nämlich im Außenministerium und im Handelsministerium, konzentrieren. Beide erscheinen als eigene Artikel auf dieser Seite.
Die 48-jährige ehemalige Handelsministerin ist die neue Außenministerin. Die Ernennung zur Chefdiplomatin in Ottawa ist sicherlich die spannendste Personalie und markiert den vorläufigen Höhepunkt ihrer politischen Karriere, die erst 2013 mit dem Gewinn der Nachwahl zum Parlament im Wahlkreis “Toronto Centre” begann. Die Ernennung Freelands markiert gleich aus mehreren Gründen einen Neustart in der kanadischen Außenpolitik.

Die Harvard und Oxford-Absolventin hat in ihrer Zeit als Handelsministerin erste Erfahrungen auf internationaler Bühne gesammelt und konnte sich nicht zuletzt in den zähen CETA-Verhandlungen national wie auch international politisch profilieren. Diese Erfahrungen können ihr durchaus zugutekommen, sollte sie auf Rex Tillerson, den mutmaßlich nächsten US-amerikanischen Außenminister, treffen. Die frühere Journalistin und Managerin dürfte, im Gegensatz zu Vorgänger Stepháne Dion, leichter haben sich politisch richtig zu inszenieren als der frühere Politikwissenschaftler und Parteichef der Liberalen. Zudem ist die frühere Wirtschaftsjournalistin in der Materie der Wirtschafts-und Handelsbeziehungen Kanadas schon eingearbeitet. Laut Trudeau, soll sich die Außenpolitik seiner Regierung vor allem an diesen beiden Kategorien orientieren. Mit in ihr neues Amt nimmt sie die Verantwortung für die kanadisch-amerikanischen Handelsbeziehungen, die für die kanadische Politik und Wirtschaft höchste Priorität haben. Dort wird von Freeland erwartet, dass sie sich gegen die Rückabwicklung von NAFTA, wie es Donald Trump im Wahlkampf gefordert hatte, stellt und die Wirtschaftsbeziehungen zum südlichen Nachbarn schützt.
Insgesamt scheint sich Trudeau von Freeland zu erhoffen, dass sie eine offensive Außenpolitik Kanadas gegenüber Washington vertreten kann und damit besser geeignet erscheint als Dion.

Jedoch ist die Ernennung Freelands nicht nur ein Fingerzeig in Richtung Kapitol, sondern auch Richtung Kreml. Freeland studierte in Harvard russische Geschichte und Literatur und Slawistik in Oxford. In ihrer Zeit als Journalistin arbeitete sie unter anderem in Kiew und Moskau und berichtete von dort aus unter anderem für die Financial Times über die Wirtschaft beider Staaten. Zudem spricht sie fließend Russisch und Ukrainisch.
 
In dieser Zeit schrieb sie unter anderem ein Buch über die russische Wirtschaft und traf Wladimir Putin 2000 zu einem Interview.
Andererseits ist nicht nur ihre berufliche Karriere mit Osteuropa verbunden, sondern auch ihre private Biographie. So sind Freelands Großeltern mütterlicherseits beide geborene Ukrainer, die während des Zweiten Weltkrieges flüchten mussten. Daher war ihre sehr offene und direkte Kritik an der Krim-Politik Putins auf ein großes Medienecho getroffen. So machte sie vor allem mit einem Online-Essay und einem Online-Artikel bei Quartz auf sich aufmerksam.
 
Im Gegenzug dafür wurde sie vom Kreml mit einem Einreiseverbot nach Russland belegt. Daher scheint Trudeau nicht nur in direkten politischen Fragen die Konfrontation mit der Politik Donald Trumps zu suchen, sondern auch im Hinblick auf andere geostrategische Fragen, wie das Verhältnis des Westens zu Russland.
Neben der überwiegend positiven Resonanz zur Personalie Freeland, gibt es jedoch auch kritische Stimmen in Kanada, wie zum Beispiel von Piotr Dutkiewicz, Politologe mit dem Schwerpunkt Osteuropa an der Carleton-Universität. Er befürchtet, dass die russisch-kanadischen Beziehungen wegen Freelands äußerst kritischer Haltung zu Moskaus Politik einfrieren könnten und dies ebenfalls die Beziehungen zu Washington belasten wird.

Nach seiner Ausbootung als Außenminister könnte der politisch erfahrene Stephané Dion seine Karriere als kanadischer Botschafter ausklingen lassen. Von seinem persönlichen Hintergrund könnte Paris eine attraktive Adresse werden, zumal der amtierende Botschafter Lawrence Cannon noch von Stephen Harper ernannt wurde und Trudeau sich nach den Präsidentschaftswahlen 2017 in Frankreich einen neuen Beginn der kanadisch-französischen Beziehungen erhoffen könnte. Andere Gerüchte mutmaßen, dass es Dion nach Brüssel oder Berlin verschlagen könnte. So scheint es ihn in Zukunft nach Europa zu verschlagen, um dort weiterhin eine wichtige Rolle in der kanadischen Außenpolitik zu spielen.Gesicherte Informationen sind dies alles hingegen noch nicht.
 
Im Gegensatz dazu, hat der ebenfalls ausscheidende, bisherige Einwanderungsminister, John McCallum das Angebot Chefdiplomat der Kanadier in Peking zu werden, angenommen. Damit ist er der erste ehemalige Politiker der dieses Amt bekleidet. McCallum weist, ebenfalls wie Freeland, persönliche Beziehungen zu seiner Rolle auf. So ist der ehemalige Chefökonom der Royal Bank of Canada, mit einer chinesischen Einwanderin verheiratet. Dies dürfte ihm Glaubwürdigkeit in China verschaffen, als ihn auch mit der nötigen Sensibilität für das Verhältnis zur chinesischen Führung ausstatten. Zwar könnte man diesen Wechsel als letztes Dankeschön von Trudeau an McCallum verstehen. Doch hat sich im letzten Jahr, mit dem Staatsbesuch Trudeaus in China im Rahmen des G20-Gipfels in Hangzhou und dem Gegenbesuch von Premierminister Li Keqiang, im selben Monat, gezeigt, welche außenpolitischen Prioritäten die Trudeau-Administration hat. Daher dürfte McCallum mit seiner politischen Erfahrung, 17 Jahre als Parlamentsmitglied und davon sechs als Minister in verschiedenen Ressorts, eine eminent wichtige Rolle spielen, die Beziehungen zwischen Ottawa und Peking auf diplomatischer Ebene zu festigen und auszubauen.
Zusammenfassend lässt sich erkennen, dass ein wichtiges Motiv der Kabinettsumbildung von Justin Trudeau die Neujustierung seiner Außenpolitik in Hinblick auf Washington, Moskau und Peking ist. Ob sich diese Wechsel auszahlen wird die Zukunft zeigen, jedoch scheint es sehr wahrscheinlich das Kanada seine wirtschaftlichen und politischen Interessen offensiver vertreten wird, als bisher.


Im nächsten Blogpost widmen wir uns dem Nachfolger von Chrystia Freeland, François-Phillipe Champagne als Handelsminister, einem weiteren steilen Aufsteiger in der kanadischen Politik.