Beeinflusst die Beliebtheit eines Präsidenten die Wahlchancen seiner Partei und wenn ja, in welchem Ausmaß? Bereits über diese Grundfrage streiten sich Beobachter der US-amerikanischen Politik – bedenkt man, dass Präsident Trump von vielen Republikanern als nicht in ihre Partei passend wahrgenommen wird, verkompliziert sich die Lage zunehmend. Grund genug für Anhänger der Demokraten, seit Anfang dieses Jahres von einer blue wave zu sprechen, auf der die Hoffnung liegt, dass die Republikaner in beiden Kammern des Kongresses ihre Mehrheit verlieren und Präsident Trump somit zu einer lame duck würde.
Getrübt wird die Hoffnung der Demokraten dabei in jüngerer Vergangenheit von einer sich stabilisierenden und leicht steigenden Zustimmungsrate zur Politik des US-Präsidenten, welcher primär von der wirtschaftlichen Lage des amerikanischen Volkes profitiert. Die Arbeitslosenquote verringert sich ebenso wie die Anzahl der Sozialhilfebezüger. Letzteres lässt sich in einigen republikanisch regierten Bundesstaaten mit der stärker vollzogenen Pflicht, eine bestimmte Anzahl Stunden pro Woche zu arbeiten, erklären.
Für Republikaner vorteilhaft: Nur wenige ihrer Sitze im Senat stehen zur Wahl
Auch das System der Wahlen zum Senat der Vereinigten Staaten wirkt als möglicher Brecher der blauen Welle. Während das Repräsentantenhaus komplett neu besetzt wird, stehen 2018 mit zwei Nachwahlen nur Abstimmungen über 35 Senatoren statt. 24 dieser 35 Senatoren sind Demokraten, hinzu kommen – etwa mit Sen. Bernie Sanders – zwei formell unabhängige, aber mit den Demokraten abstimmende Senatoren. Dem stehen nur neun Republikaner gegenüber, die ihre Ämter verteidigen müssen, um die Mehrheit sicherzustellen.
Schenkt man einem Querschnitt von Umfragen Glauben, sind zumindest sechs republikanische Sitze im Senat sicher – bei acht als umkämpft beschriebenen Sitzen müssten die Republikaner weniger als die Hälfte der betreffenden Wahlen gewinnen. Erleichtert wird diese Aufgabe durch das Stimmverhalten der Wahlbevölkerung in den umkämpften Staaten, welches den Republikanern einen strukturellen Vorteil verschaffen dürfte.
Für beide großen Parteien steht und fällt der Wahlabend im November jedoch nicht mit dem vergangenen Stimmverhalten, sondern mit der Mobilisierung ihrer Wählergruppen. Dass Hillary Clinton diese nicht in ausreichendem Ausmaß gelungen ist, wird von nahezu allen Beobachtern als Grund für ihr Unterliegen in der Präsidentschaftswahl 2016 angeführt.
Erster Paukenschlag in der demokratischen Vorwahl
Ob es den Demokraten aber gelingen mag, die Midterms für sich zu entscheiden, steht weiterhin in den Sternen – dass viele von ihnen die Bedeutung gewissenhafter Mobilisierung erkannt haben, dafür sprechen die parteiinternen Vorwahlen, die bereits zu zahlreichen Duellen zwischen Amtsinhabern und Herausforderern geführt haben. Bisher gelang es ersteren, Angriffe abzuwehren – der gestrige Dienstag führte jedoch zur ersten Niederlage eines demokratischen Mitglied des Repräsentantenhauses.
Der in der Vorwahl gegen Alexandria Ocasio-Cortez unterlegene Rep. Joseph Crowley aus New York ist jedoch nicht irgendein Mitglied des Repräsentantenhauses, sondern wurde als möglicher Nachfolger von Rep. Nancy Pelosi betrachtet, sollte sie aus dem Repräsentantenhaus ausscheiden. Mit einem recht deutlichen Ergebnis wurde die selbsternannte demokratische Sozialistin und frühere Wahlkampfhelferin von Bernie Sanders zur Kandidatin in einem Wahlkreis, der sich 2016 mit 78% für Hillary Clinton ausgesprochen hatte.
Viele Kandidaten – oder: Was macht eigentlich Bernie Sanders?
Es gibt mehrere Interpretationsmöglichkeiten für die überraschende Vorwahlentscheidung und gemein ist ihnen lediglich, dass sie zeigen, dass auch die Demokratische Partei im Inneren einen Richtungskampf durchlebt. Was den Republikanern die never Trumpers, scheinen auf demokratischer Seite die unzufriedenen und von der aktuellen Politik ihrer Partei unbefriedigten Unterstützer von Sen. Bernie Sanders zu sein.
Zwei Jahre vor der nächsten Präsidentschaftswahl scheinen seine Unterstützer immer noch auf eine weitere Kandidatur des formell parteilosen Senators aus Vermont zu hoffen. Schon jetzt verfügen die Demokraten damit über eine große Zahl wahrscheinlicher Bewerber für die US-Präsidentschaft.
Wie viele der möglichen Bewerber tatsächlich den Sprung in die Vorwahlen wagen, bleibt fraglich – doch eine Vielzahl von Bewerbern erleichtert die Profilierung nicht, wie das chaotische Kandidatenfeld der Republikaner 2016 mehreren Bewerbern eindrucksvoll zeigte. Sie alle zogen sich im Verlauf der Vorwahlen zurück und ermöglichten so erst eine Profilbildung des späteren Kandidaten Trump im direkten Duell mit seinen demokratischen Kontrahenten.
Es bleibt folglich spannend mit noch 16 Vorwahlen für Kandidaten zum Senat und zahlreichen mehr für das Repräsentantenhaus. Nicht verwunderlich ist da die Unterstützung des US-Präsidenten für Kandidaten, die seiner Agenda nahe stehen. Die Grundfrage bleibt jedoch bis zum 6. November dieselbe – und von ihr hängt schließlich die Zukunft der Vorhaben Trumps ab.