Exploring the North: Vier Städte, viele Erfahrungen

Zwischen dem 16. und 28. September hatte eine vierzehnköpfige Gruppe der Initiative junger Transatlantiker Kanada besucht und dabei neue Erfahrungen im deutsch-kanadischen Verhältnis gesammelt. Bei Veranstaltungen in Toronto, Ottawa, Montréal und Québec standen nicht nur der Erfahrungsgewinn in politischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten, sondern auch Bewusstsein für die gemeinsame Geschichte, für die Rolle der Ureinwohner und Minderheiten des Landes sowie für die atemberaubende Natur Kanadas, die es gemeinsam zu erfahren galt.

Toronto

Woran denken Deutsche, wenn sie an kanadische Städte denken? Es liegt recht nahe, Toronto mit seiner charakteristischen Skyline und der Lage am Lake Ontario schnell zu nennen. Eingebettet in eine Metropolregion mit knapp sechs Millionen Einwohnern liegt Toronto und überrascht seine Besucher mit atemberaubenden Höhen und einer Stimmung, die mit ihren Anlehnungen an New York City das Kanadabild von gemütlichen Städten im Schnee erschüttert.
Nach einer ersten Einführung in die Geschichte der Stadt und wichtige Schauplätze am Sonntagabend ging es am Montag zum Sarah and Chaim Neuberger Holocaust Education Centre. Das Zentrum dient als Dialogforum und ermöglicht jungen Menschen eine Auseinandersetzung mit diesem schwierigen Kapitel der deutschen und europäischen Geschichte und ihren Auswirkungen auch auf die kanadische Gesellschaft. Dass Kanada sich erst seit einigen Jahrzehnten als Einwanderungsland versteht, führt dazu, dass die Überlebenden des Holocaust, die heute in Toronto ihre Lebensgeschichte weiterschreiben, zumeist nicht direkt nach Kanada ausgewandert sind. Unserer Gruppe ermöglichte dieser Besuch einen Austausch mit einer Überlebenden, die entlang mehrerer Stationen ihren Lebensweg beschrieb und deutlich machte, dass es die Aufgabe der jungen Generation ist, an einer Gesellschaft zu arbeiten, die Hass und Skepsis durch interessierten Austausch zwischen verschiedenen Gruppen verdrängt.

Tobias Reuter, Lukas Posch und Robin Arens (v.l.n.r.) im Gespräch mit MPP Oosterhoff


Weiter ging es zur deutsch-kanadischen Industrie- und Handelskammer, der AHK Kanada. In allen Ländern, die für die deutsche Wirtschaft von gehobenem Interesse sind, befinden sich Außenhandelskammern – die AHK Kanada wurde bereits 1968 gegründet und setzt sich seitdem für die Förderung der bilateralen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen ein. Anlässlich des ersten Jahrestags der vorläufigen Anwendbarkeit des CETA-Abkommens zwischen Kanada und der Europäischen Union bot sich unseren Teilnehmern die Gelegenheit, über die Auswirkungen des Abkommens zu sprechen – und über die Erfahrungen, die Kanadier mit dem Abkommen gemacht haben.
Dass die Handelsströme zwischen Europa und Kanada sich positiv entwickelt haben, dieses Wachstum aber hauptsächlich an der Steigerung europäischer Exporte liegt, stößt in Kanada auf gewisse Verwunderung. In Anbetracht des Strebens der kanadischen Regierung nach einer Diversifizierung der Handelsströme sind jedoch alle Akteure guter Dinge, wenn es um die Akzeptanz des Abkommens geht.
Nicht nur Wirtschaft und Kultur spielten für uns in Toronto eine Rolle: Als rapide wachsende Stadt ist Toronto ein Magnet für Einwanderer aus der ganzen Welt. Wie Kanada und seine Gesellschaft mit der Integration und Inklusion von neuen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern umgeht, erfuhren die Teilnehmer beim Institute for the Canadian Citizenship. Gemeinsam mit hochrangigen Vertretern des Instituts sprachen wir mehrere Stunden lang über die Aktivitäten des ICC und Herausforderungen, die überwunden werden müssen, um neuen Kanadiern eine Identifikation mit ihrer neuen Heimat zu ermöglichen. Von besonderem Interesse war dieser Besuch, da sich auch in Deutschland die Stimmen mehren, die eine aktive Auseinandersetzung mit der Einwanderungspolitik fordern. Im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung besucht das ICC im November 2018 Berlin – stay tuned!

Junge Transatlantiker bei den Niagarafällen


Wie aber leben die Menschen, aus deren Sicht es sich auch bei den europäischen Einwanderern der letzten Jahrhunderte um Zugezogene handelt? Darüber haben wir mit dem Native Canadian Centre of Toronto gesprochen. Das NCCT ist bestrebt, die indigene Gemeinschaft in Toronto zu fördern und macht dabei auch auf Herausforderungen aus Sicht dieser Gemeinschaft aufmerksam. Aufwind erfahren ihre Projekte durch die Arbeit der truth and reconciliation commission, die auf Missstände im Umgang mit den Indigenen hinweisen.

Ottawa

Nach Toronto ging es weiter in die Hauptstadt Kanadas, Ottawa. Unmittelbar an der Grenze zur Provinz Québec gelegen befinden sich in ihr das Parlament, die deutsche Botschaft, das kanadische Außenministerium und das Global Centre for Pluralism – allesamt Orte, die wir gemeinsam besuchten. Höhepunkt des Besuchs in Ottawa war das Arbeitsfrühstück mit MP Michel Picard, einem Abgeordneten aus dem Umland von Montréal. Mit MP Picard in seiner Rolle als Vorsitzender der kanadisch-deutschen Parlamentariergruppe haben wir uns bei Ahornsirup und Speck über Handels- und Wirtschaftsbeziehungen und über die nahenden Provinzwahlen in Québec unterhalten.

Unsere Gruppe im Gespräch mit MP Michel Picard


Weiter ging es bei Global Affairs Canada, wo wir einen Parforceritt durch die kanadische Außenpolitik machten. Wie agiert Kanada in der Arktis, welche Herausforderungen gibt es im Handel mit den Vereinigten Staaten und weshalb nimmt Kanada eine so starke Rolle für Menschenrechte und Demokratie weltweit ein? In zwei Stunden gelang es uns, einige Antworten zu diesen Fragen zu finden. Ein freier Tag in Ottawa bot abschließend die Gelegenheit, das Nachtleben des berühmten Byward Market zu erkunden.

Montréal

Bienvenue à Montréal hieß es für uns für drei Tage, während derer wir insbesondere auf die Besonderheiten Québecs eingingen. Neben einem Besuch beim Goethe-Institut, dem Kulturinstitut der Bundesrepublik Deutschland, bei dem wir einen Abriss über die Bedeutung der deutschen Kulturpolitik im Ausland erhielten, besuchten wir das Ministère des Relations Internationales et de la Francophonie. Dabei handelt es sich um das de-facto-Außenministeriums der Provinz, für die eine weitgehende Autonomie von großer Bedeutung ist. Im Gespräch mit einer Vertreterin des MRIF erfuhren wir mehr über die Arbeit des Ministeriums sowie über die Sorgen, die in der Bevölkerung in Anbetracht der Neuverhandlung des nordamerikanischen Freihandelsabkommens bestehen.

Junge Transatlantiker im Gespräch mit dem MRIF


Nach einem Besuch bei der Vertretung Bayerns in Québec ging es für einen Workshop weiter zum Black Community Resource Center. Das BCRC ist eine Sozialeinrichtung, die als Mittler zwischen Behörden und privaten Initiativen dient, um die schwarze Minderheit in Montréal zu unterstützen. In mehreren Stunden erfuhren wir im Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern des BCRC, welche Herausforderungen für die schwarze Minderheit bestehen, wie die kanadische Politik diese Herausforderungen wahrnimmt und welche Lösungskonzepte die Community sich selbst im Lauf mehrerer Jahrzehnte gegeben hat, um sich als vollständig integrierter Teil der Bevölkerung in das Gesellschaftsleben einbringen zu können. Auch hier bestand die Verknüpfung zu den in Deutschland bestehenden Herausforderungen der Integration derer, die im Land bleiben werden, und dem Abbau gegenseitiger Skepsis.

Québec

Québec – die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz und der älteste französischsprachige Ort auf nordamerikanischem Boden – bildete den Abschluss unserer zweiwöchigen Reise. Gemeinsam mit unserer Gruppe ging es bei zunächst unglücklichen Witterungsverhältnissen quer durch die europäisch anmutende Altstadt, die einen ganz anderen Blick auf Kanada und sein europäisches kulturelles Erbe ermöglicht. Einen erfolgreichen Abschluss fand der Tag mit dem deutschsprachigen Stammtisch in Québec, mit dem wir uns über das Leben der deutschen Community in der Stadt und der Region unterhalten haben. Ganz unterschiedliche Lebenswege führten diese Menschen nach Québec – ihnen allen ist gemein, dass ihnen das Leben in der Stadt gefällt. Nach zwei Tagen und einem unterhaltsamen Eishockeyspiel konnten wir diese Stimmung absolut nachvollziehen.

Wissensgewinn beim Black Community Resource Center