Rückzug des Stephen Harper – Kanadas konservatives „political animal“ hört auf

Am vergangenen Freitag ist der Abgeordnete für den Wahlkreis „Calgary Heritage“ freiwillig aus dem kanadischen Unterhaus ausgeschieden. Dies wäre sicherlich nur eine Randnotiz wert, wenn es sich um einen ganz gewöhnlichen Abgeordneten handeln würde. Jedoch heißt dieser ehemalige Abgeordnete Stephen Harper und war zwischen 2006 und 2015 der 22. Premierminister von Kanada. Anlässlich seines wahrscheinlich finalen Ausscheidens aus der kanadischen Politik soll hier ein Rückblick auf das politische Leben von Stephen Harper geworfen werden.

Der 1959 geborene Harper kann auf eine bewegte politische Karriere zurückblicken. So war er an der Gründung zweier politischer Parteien in Kanada, der Reformpartei und der konservativen Partei, intensiv beteiligt und war insgesamt 20 Jahre lang Abgeordneter in Ottawa. Davon neun Jahre Premierminister.

Seine politische Karriere begann zu Schulzeiten bei der Jugendorganisation der liberalen Partei. Aus Protest gegen die von der damaligen Regierung betriebenen Energiepolitik trat er aus und schloss sich der damals in Gründung befindenden Reformpartei an. Dort stieg er schnell zu einer wichtigen politischen Figur auf und wurde 1993 zum ersten Mal in das kanadische Parlament gewählt. Da er die politische Entwicklung der Reformpartei in den darauffolgenden Jahren immer weniger mit seinen eigenen politischen Überzeugungen vereinbaren konnte, trat er im Januar 1997 zum ersten Mal als Parlamentsabgeordneter zurück. Noch am selben Tag wurde Harper daraufhin Vizepräsident des „National Citizens Council“.

Nach einigen Jahren als Lobbyist, Redner und Autor zahlreicher Gastbeiträge betrat Stephen Harper im März 2002 die große Bühne der kanadischen Politik wieder. In einer Kampfabstimmung setzte er sich in der Wahl zum Parteivorsitzenden der kanadischen Allianz gegen Stockwell Day durch. Diese war die Nachfolgepartei der Reformpartei. Nach dem Gewinn des Wahlreises „Calgary Southwest“ war Harper erneut Parlamentsabgeordneter und qua Amt als Parteivorsitzender zugleich kanadischer Oppositionsführer.

Seit seiner Wahl zum Parteivorsitzenden betrieb Harper, zuerst hinter verschlossenen Türen und dann öffentlich, einen Zusammenschluss zwischen seiner Partei und der progressiv-konservativen Partei, um dem Konservatismus in Kanada ein einheitliches Erscheinungsbild zu geben. Im Dezember 2003 votierten beide Parteitage für einen Zusammenschluss unter dem neuen Namen „Konservative Partei“.

Zu Beginn des Jahres 2004 setzte sich Harper auch in der Wahl zum ersten Parteivorsitzenden der neuen Partei durch und blieb damit Oppositionsführer im kanadischen Parlament. Bei der Parlamentswahl im selben Jahr schaffte es die neu formierte Partei unter Harper jedoch nicht die regierende liberale Partei abzulösen, welche daraufhin eine Minderheitsregierung bildete.

Im November 2005 initiierte Harper ein Misstrauensvotum gegen die Regierung von Premierminister Martin, welches als Erstes überhaupt in der kanadischen Parlamentsgeschichte angenommen wurde.

Bei den darauffolgenden Parlamentswahlen im Januar 2006 wurde die konservative Partei stärkste Fraktion im Parlament. Da sie jedoch keine eigene Mehrheit besaß, war sie auf die Duldung anderer Parteien angewiesen. Dies gelang, woraufhin Harper am 06. Februar 2006 zum 22. Premierminister von Kanada vereidigt wurde.

In den ersten beiden Legislaturperioden (2006–2008 und 2008–2011) regierte Harper mithilfe einer Minderheitsregierung und in seiner letzten Amtszeit zwischen 2011 und 2015 konnte er eine eigene konservative Mehrheit im Parlament vorweisen. Bei der vergangenen Wahl mussten die Konservativen einen dramatischen Stimmenverlust hinnehmen, der die liberale Partei zur stärksten Fraktion und damit Justin Trudeau zum neuen Premierminister machte.

Nun steht die Frage im Raum, welche politischen Leistungen von Stephen Harper bleiben werden und womit man seine Amtszeit verbinden wird.

Ein Punkt, der sicherlich über vielen anderen politischen Ereignissen in Harpers Amtszeit steht, ist die offizielle Entschuldigung an die „First Nations“ im Jahr 2008. Er entschuldigte sich sowohl im Namen der kanadischen Regierung als auch im Namen des kanadischen Volkes für die ab 1870 betriebene Assimilierungspolitik, welche noch heute tiefe Wunden und Spuren hinterlässt. Dies wurde als nichts weniger als eine „historische Geste“ bewertet.

Außenpolitisch wird die Regierungszeit von Harper sicherlich auch mit der Verbesserung der Beziehungen zu den USA in Verbindung gebracht. Zudem konnte unter seiner Führung das Freihandelsabkommen mit den EFTA-Staaten finalisiert werden. Zudem engagierte sich Kanada wieder aktiver in der Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Daneben war Kanadas Regierung, unter Harper, eine der führenden Kräfte Russland, in Folge der Krim-Krise, aus der G8 auszuschließen und Sanktionen zu erlassen. Ein weiterer Eckpfeiler der Außenpolitik Harpers war die bedingungslose Unterstützung Israels. So stellte er sich zum Beispiel im Libanonkrieg klar an die Seite Israels. 2014 wurde ihm eine besondere Ehre zuteil, als er als erster kanadischer Premierminister vor der Knesset eine Rede halten durfte. In dieser unterstrich er unter anderem die tiefen kanadisch-israelischen Beziehungen, das Existenzrecht Israels und die fortwährende Unterstützung Israels durch Kanada.

Wirtschaftspolitisch erließ Harper einige Steuererleichterungen und konnte ebenfalls darauf verweisen, dass Kanada als eine der wenigen G7-Staaten relativ schadlos durch die globale Finanzkrise von 2008/2009 gekommen ist.

Jedoch sind auch einige seiner politischen Maßnahmen mehr als umstritten. Unter anderem verkündete die Regierung im Dezember 2011 den Rückzug Kanadas vom Kyoto-Protokoll. Weiterhin war seine zweimalige Bitte um Aussetzung des Parlamentsbetriebs, welche von der damaligen Generalgouverneurin positiv bescheiden wurden, höchst umstritten. Ihm wurde vorgeworfen, den politischen Betrieb zu lähmen und die demokratische Verfassung zu schwächen. Er hielt mit der Argumentation dagegen, dass diese beiden Phasen notwendig waren, um detaillierte ökonomische Reformen zu planen und anzustoßen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Name von Stephen Harper an vielen wichtigen Punkten in der Geschichte der kanadischen Konservativen auftaucht, was ihm sicherlich einen Platz in den Geschichtsbüchern sichert. Zudem ist er nach Pierre Trudeau und Jean Chrétien der Premierminister mit der drittlängsten Amtszeit seit dem 2. Weltkrieg, was ebenfalls durchaus bemerkenswert ist.

Bleibt nun die Frage noch offen, was Stephen Harper nach seiner aktiven politischen Karriere  machen wird.

Nach seinem Rücktritt als Parteivorsitzender und Oppositionsführer hat Harper Ende des vergangenen Jahres mit zwei langjährigen Wegbegleitern, die „Harper & Associates Consulting Inc.“ gegründet. Damit wird er doch nicht so ganz von der politischen Bühne verschwinden, wenngleich seine Rolle eine andere sein wird.


Zum Rückzug von Stephen Harper aus der aktiven Politik haben wir Dir noch einige Links zusammengestellt, um mehr darüber zu erfahren:

Autor: Robin Arens.